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Schwangere mit Tablette in Hand
Ольга Тернавская/Fotolia.com

Empfehlungen

  • Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sollen zusätzlich zu einer ausgewogenen Ernährung 400 µg Folsäure pro Tag oder äquivalente Dosen anderer Folate in Form eines Supplements einnehmen.
  • Die Einnahme soll mindestens 4 Wochen vor der Konzeption beginnen und bis zum Ende des 1. Schwangerschaftsdrittels fortgesetzt werden.
  • Frauen, die die Folsäuresupplementierung weniger als 4 Wochen vor der Konzeption beginnen, sollten höherdosierte Präparate verwenden.

Grundlagen der Empfehlungen

In zahlreichen epidemiologischen Studien und darauf aufbauenden Metaanalysen hat sich gezeigt, dass durch eine perikonzeptionelle Folsäuresupplementierung von 400 µg/d (allein oder in Kombination mit anderen Mikronährstoffen) das Risiko für kindliche Fehlbildungen des Nervensystems (Neuralrohrdefekte; NRD) reduziert werden kann (z. B. [81], [82], [83], [84], [85], [86]). In Deutschland und vielen anderen Ländern wird daher seit etwa Mitte der 1990er-Jahre empfohlen, dass Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung 400 µg Folsäure pro Tag oder äquivalente Dosen anderer Folate (Calcium L-Methylfolat oder 5-Methyltetrahydrofolsäure-Glucosamin) in Form von Supplementen einnehmen und die Supplementierung auch im 1. Schwangerschaftsdrittel fortführen [87], [88], [89], [90]. In einigen Ländern liegt die Dosisempfehlung etwas höher, wie z. B. in Australien mit 500 µg pro Tag [91]. Wenn die Einnahme erst kurz vor oder sogar erst nach der Konzeption beginnt, sollten Supplemente mit 800 µg Folsäure verwendet werden [92], [93], um schneller die von der WHO empfohlenen Erythrozytenfolatkonzentrationen zu erreichen [94].

Hintergrundinformationen

Folat ist unter anderem wichtig für Zellteilung und Wachstumsprozesse. Der Verzehr folatreicher pflanzlicher Lebensmittel, wie grünes Blattgemüse, Kohlsorten, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Tomaten oder Orangen, kann zur Folatversorgung beitragen. Laut Nationaler Verzehrsstudie (NVS II) liegt die Zufuhr von Folatäquivalenten bei Frauen im reproduktionsfähigen Alter im Median zwischen 153 und 185 µg/d [95] und somit deutlich unter den für Erwachsene (300 µg/d) und für Schwangere (550 µg/d) abgeleiteten D-A-CH-Referenzwerten für die Nährstoffzufuhr [52]. In der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) wurden erstmals repräsentativ für die erwachsene Bevölkerung Folatkonzentrationen im Serum und in den Erythrozyten gemessen. Die Ergebnisse dieser Studie lassen darauf schließen, dass 85% der Bevölkerung die Zielwerte für Folat für Nichtschwangere erreichen [96]. Allerdings erreichen weniger als 5% der Frauen im reproduktionsfähigen Alter die von der WHO zur wirksamen Risikoreduktion von Neuralrohrdefekten empfohlenen Erythrozytenfolatkonzentrationen von 400 ng/ml (906 nmol/l) [94], [96].

Da der Verschluss des Neuralrohrs normalerweise bereits 3 bis 4 Wochen nach der Konzeption erfolgt, ist für eine größtmögliche Risikoreduktion für Neuralrohrdefekte der Beginn der Folsäuresupplementierung bereits vor der Konzeption erforderlich. Die Zeitspanne bis zum Erreichen der empfohlenen Folatkonzentration ist von der Ausgangskonzentration und von der supplementierten Dosis abhängig: So sind bei einer täglichen Einnahme von 400 µg Folsäure 6 bis 8 Wochen notwendig, um eine Folatkonzentration von 906 nmol/l in den Erythrozyten zu erreichen; bei Einnahme von 800 µg/d dagegen nur etwa 4 Wochen [92], [93], [97]. Eine tägliche Zufuhr von 1000 µg Folsäure/d wird als unbedenklich eingeschätzt (Tolerable Upper Intake Level) [98], [99].

Derzeit führt nur ein kleiner Teil der Frauen in Deutschland eine präventiv wirksame Folsäuresupplementierung durch. Zwar supplementieren nahezu 90% der Frauen in der Schwangerschaft Folsäure [100], aber nur etwa 10 bis 34% beginnen zum empfohlenen Zeitpunkt und verwenden eine Dosis von mindestens 400 µg/d [101], [102], [103]. In Deutschland stehen Darreichungsformen in unterschiedlicher Dosierung zur Verfügung. Wenn Frauen zur NRD-Prävention ein Multivitaminpräparat einnehmen, sollte darauf geachtet werden, dass es mindestens 400 µg Folsäure enthält.

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Literatur

52 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE); Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE). Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Bonn: 2017

81 Czeizel AE, Dudas I, Paput L. et al. Prevention of neural-tube defects with periconceptional folic acid, methylfolate, or multivitamins?. Ann Nutr Metab 2011; 58: 263-271

82 De-Regil LM, Pena-Rosas JP, Fernandez-Gaxiola AC. et al. Effects and safety of periconceptional oral folate supplementation for preventing birth defects. Cochrane Database Syst Rev 2015; (12) CD007950 DOI: 10.1002/14651858.CD007950.pub3.

83 Czeizel AE, Dudas I. Prevention of the first occurrence of neural-tube defects by periconceptional vitamin supplementation. N Engl J Med 1992; 327: 1832-1835

84 Viswanathan M, Treiman KA, Doto JK. et al. Folic Acid Supplementation: An Evidence Review for the U.S. Preventive Services Task Force. Rockville (MD): Agency for Healthcare Research and Quality (US); 2017

85 [Anonym] Prevention of neural tube defects: results of the Medical Research Council Vitamin Study. MRC Vitamin Study Research Group. Lancet 1991; 338: 131-137

86 Obeid R, Pietrzik K. Neuralrohrdefekte: Das Veto gegen Folsäure im Mehl sollte überdacht werden. Dtsch Arztebl 2018; 115 (27-28): A-1329/B-1123/C-1115

87 Koletzko B, Pietrzik K. Gesundheitliche Bedeutung der Folsäurezufuhr. Dtsch Arztebl 2004; 101: A-1670/B-1388/C-1338

88 Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Deutsche Gesellschaft für Humangenetik, Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde. et al. Prävention von Neuralrohrdefekten durch Folsäurezufuhr in der Frühschwangerschaft. Der Frauenarzt 1994; 35: 1007–1010. Nachdruck in: Der Kinderarzt 1995; 26: 187–190; .2: ASbH-Brief – Zeitschrift der Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus e. V.; .3: 1995; 1995;. Monatsschr Kinderheilkd 1995; 143: 1003-1005

89 Krawinkel MB, Strohm D, Weissenborn A. et al. Revised D-A-CH intake recommendations for folate: how much is needed?. Eur J Clin Nutr 2014; 68: 719-723

90 Gomes S, Lopes C, Pinto E. Folate and folic acid in the periconceptional period: recommendations from official health organizations in thirty-six countries worldwide and WHO. Public Health Nutr 2016; 19: 176-189

91 Australian Government Department of Health. Clinical Practice Guidelines: Pregnancy Care. Online: http://www.health.gov.au/internet/main/publishing.nsf/Content/pregnancycareguidelines last access: 26.07.2018

92 Bramswig S, Prinz-Langenohl R, Lamers Y. et al. Supplementation with a multivitamin containing 800 microg of folic acid shortens the time to reach the preventive red blood cell folate concentration in healthy women. Int J Vitam Nutr Res 2009; 79: 61-70

93 Obeid R, Schon C, Wilhelm M. et al. The effectiveness of daily supplementation with 400 or 800 microg/day folate in reaching protective red blood folate concentrations in non-pregnant women: a randomized trial. Eur J Nutr 2017; DOI: 10.1007/s00394-017-1461-8.

94 World Health Organization. Guideline: Optimal Serum and Red Blood Cell Folate Concentrations in Women of reproductive Age for Prevention of neural Tube Defects. Geneva: WHO; 2015

95 Max Rubner Institut. Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht. Karlsruhe: Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel; 2008

96 Mensink G, Weißenborn A, Richter A. Ernährungssituation in Deutschland. Folat. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Hrsg. 13 DGE-Ernährungsbericht. Bonn: Deutsche Gesellschaft für Ernährung; 2016

97 Pietrzik K, Lamers Y, Bramswig S. et al. Calculation of red blood cell folate steady state conditions and elimination kinetics after daily supplementation with various folate forms and doses in women of childbearing age. Am J Clin Nutr 2007; 86: 1414-1419

98 Scientific Committee on Food, European Commission. Opinion of the Scientific Committee on Food on the tolerable upper intake level of folate. Brüssel: Europäische Kommission; 2000

99 Institute of Medicine (US) Standing Committee on the Scientific Evaluation of Dietary Reference Intakes and its Panel on Folate OBV, and Choline. Dietary Reference Intakes for Thiamin, Riboflavin, Niacin, Vitamin B6, Folate, Vitamin B12, Pantothenic Acid, Biotin, and Choline. Washington (DC): National Academies Press (US) National Academy of Sciences; 1998

100 Oliver EM, Grimshaw KE, Schoemaker AA. et al. Dietary habits and supplement use in relation to national pregnancy recommendations: data from the EuroPrevall birth cohort. Matern Child Health J 2014; 18: 2408-2425

101 Egen V, Hasford J. Prevention of neural tube defects: effect of an intervention aimed at implementing the official recommendations. Sozial- und Praventivmedizin 2003; 48: 24-32

102 Kowoll S, Kurzenhäuser-Carstens S, Martin A. et al. Folsäure zur Prävention von Neuralrohrdefekten – Wissen und Einstellungen sowie Beratungs- und Einnahmepraxis in Berlin. Z Geburtshilfe Neonatol 2015; DOI: 10.1055/s-005-30402.

103 Becker S, Schmid D, Amann-Gassner U. et al. Verwendung von Nährstoffsupplementen vor und während der Schwangerschaft. Ernährungs Umschau 2011; 58: 36-41