7,5 Millionen Menschen in Deutschland leben vegetarisch oder verzichten weitgehend auf Fleisch [1]. Vegetarische Ernährung liegt im Trend, insbesondere unter Frauen. Zu den Gründen für diese Entscheidung zählen z.B. Klima- und Tierschutz oder eine gesündere Lebensweise [1, 2]. Enthält die vegetarische Ernährung neben Gemüse, Obst, Vollkornprodukten auch Milch(-produkte) und Eier, kann sie in der Schwangerschaft den Bedarf an den meisten Nährstoffen decken. Für eine ausreichende Versorgung mit Folsäure und Jod sollten schwangere Vegetarierinnen genauso wie alle anderen Schwangeren Supplemente einnehmen. Dazu empfiehlt das Netzwerk Gesund ins Leben in den bundesweiten Handlungsempfehlungen: sobald eine Schwangerschaft geplant ist und in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten täglich ein Supplement mit 400 µg Folsäure (oder eine äquivalente Dosis anderer Folate) einzunehmen. Für die Ergänzung mit Jod wird während der gesamten Schwangerschaft ein Supplement mit täglich 100 (bis 150) µg empfohlen. Schwangere, die keinen Fisch essen, sollten außerdem täglich 200 mg DHA (Docosahexaensäure) supplementieren. Ob darüber hinaus eine Nahrungsergänzung mit weiteren Nährstoffen, beispielsweise mit Eisen, notwendig ist, sollte über eine gezielte ärztliche Beratung individuell geklärt werden. Ernährt sich eine Schwangere vegan, sind weitere Supplemente notwendig. Auch sollen eine ärztliche Überprüfung kritischer Nährstoffe sowie eine individuelle Ernährungsberatung erfolgen [3].
„Eine vegetarische Ernährung kann im Alltag auf sehr unterschiedliche Art und Weise umgesetzt werden.
Das gibt Fachkräften einen guten Anlass, um mit vegetarisch lebenden Schwangeren über ihren Nährstoffversorgung ins Gespräch zu kommen“, sagt Dr. Ute Alexy, Ernährungswissenschaftlerin an der Universität Bonn.
„Wichtig ist, dass bei einer vegetarischen Ernährung Fleisch und Fisch nicht einfach weggelassen, sondern durch Hülsenfrüchte ersetzt werden und verstärkt Vollkorngetreide verzehrt wird.“
Lebensmittel gezielt auswählen
Ausgewogen vegetarisch essen heißt in Kürze: regelmäßig Vollkornprodukte, 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst pro Tag, dazu Milch und Milchprodukte (lacto), Eier (ovo), Nüsse und Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen oder Linsen. Der Einsatz von Fetten erfolgt insgesamt sparsam, dabei haben Pflanzenöle Vorrang. Wichtig ist es außerdem ausreichend zu trinken, bevorzugt Wasser [4]. Praktische Orientierung für eine vegetarische Ernährung bietet die vegetarische Ernährungspyramide [4]. In der Schwangerschaft ist der Nährstoffbedarf teilweise erheblich erhöht, der Energiebedarf steigt dagegen nur leicht und erst gegen Ende der Schwangerschaft an [3, 5]. Die empfohlene Zufuhrmenge für Folsäure, Jod und Eisen steigt vom ersten Tag der Schwangerschaft an, bei anderen Vitaminen und Mineralstoffen ab dem vierten Monat [6]. Deshalb kommt es in der Schwangerschaft auf eine besonders bewusste Lebensmittel- und Speisenauswahl an, damit die Schwangere und der Fötus gut versorgt sind. Lebensmittel mit hoher Nährstoffdichte sind daher besonders erwünscht. Pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, aber auch Milch und Milchprodukte sowie Eier zählen zu Lebensmitteln mit einer hohen Nährstoffdichte. Süßigkeiten, Gebäck sowie viele hochverarbeitete Convenience-Produkte und Snacks enthalten dagegen oft reichlich Zucker beziehungsweise Fett. Sie sind in der Regel reich an Kalorien, liefern jedoch vergleichsweise wenig der benötigten Vitamine und Mineralstoffe [7]. Deshalb sollten sie nur sparsam verzehrt werden.
Eiweißversorgung in der Regel ausreichend
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In der Rubrik Nachgefragt gehen wir Irrtümern auf den Grund und erklären altes Wissen neu.
Milch und Milchprodukte, Eier, aber auch pflanzlichen Lebensmittel wie Hülsenfrüchte, Vollkornbrot, Getreideflocken, Kartoffeln und Nüsse tragen zu einer ausreichenden Eiweißversorgung bei [3, 4]. Drei Portionen Milch und Milchprodukte sollten es pro Tag sein. Hülsenfrüchte, wie Erbsen, Linsen oder Bohnen können direkt als Zutat beim Kochen Einsatz finden. Oder sie werden verarbeitet verzehrt, Soja etwa in Form von Tofu oder Tempeh. Hülsenfrüchte oder daraus hergestellte Produkte sollten drei bis viermal pro Woche auf dem Speiseplan stehen [4]. Manche Eiweiße ergänzen sich besonders gut [4]. Dazu müssen sie nicht unbedingt gleichzeitig verzehrt werden [8]. Doch viele altbekannte und neue Rezepte enthalten Zutaten, die zusammen eine hohe Eiweißqualität bieten. Günstig ist beispielsweise die Kombination von Eiern mit Kartoffeln oder von Getreide mit Milch wie sie typischerweise in Müsli vorkommt. Eine gute Eiweißqualität bieten auch Getreide mit Hülsenfrüchten, z.B. Vollkorn-Spaghetti mit einer Linsenbolognese [4].
Eisen nur bei Bedarf ergänzen
Eisen ist ein wichtiger Bestandteil des Hämoglobins, dem Blutfarbstoff der roten Blutkörperchen. Es sorgt für die ausreichende Sauerstoffversorgung aller Organe und Zellen. Ein Mangel in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für eine Anämie und damit für Schwangerschaftskomplikationen und Fehlentwicklungen beim Kind [3]. Das Risiko für eine unzureichende Eisenversorgung ist bei Vegetarierinnen in der Schwangerschaft erhöht [9, 10, 11]. Dabei weist eine ganze Reihe pflanzlicher Lebensmittel hohe Gehalte an Eisen auf. Dazu gehören Hülsenfrüchte, Blattgemüse wie Spinat und Grünkohl, Getreidearten wie Hafer, Hirse sowie Amaranth und Quinoa. Auch Nüsse und Ölsaaten sind gute Eisenlieferanten [4]. Allerdings kann der menschliche Körper Eisen aus pflanzlichen Quellen weniger gut verwerten als Eisen aus Fleisch und Fisch.
Bei einer vegetarischen Ernährung lässt sich die Eisenaufnahme erhöhen, wenn pflanzliche Eisenquellen mit Lebensmitteln kombiniert werden, die reich an Vitamin C oder organischen Säuren wie Zitronensäure sind. Denn diese Stoffe fördern die Eisenverwertung aus der Pflanzenkost [12]. Günstig ist es beispielweise Beerenfrüchte ins Müsli zu geben oder Paprikaschoten in den Linsensalat. Ein wichtiger Marker für die Eisenversorung ist die Hämoglobin-Menge im Blut (Hb-Wert). Die Bestimmung erfolgt im Rahmen der allgemeinen ärztlichen Schwangerschaftsvorsorge [13]. Zusätzlich empfiehlt das Netzwerk Gesund ins Leben die Bestimmung des Serumferritin-Wertes, da dieser Hinweise auf unzureichende oder entleerte Eisenspeicher gibt [3, 14]. Blutuntersuchungen und die Anamnese zeigen dann, ob eine Nahrungsergänzung mit Eisen notwendig ist. Ohne diese Abklärung sollten Schwangere keine Eisenpräparate einnehmen.
DHA aus Fisch oder Supplemente
Die langkettige Omega-3-Fettsäure DHA ist für die Entwicklung des kindlichen Gehirns, der Augen und des Nervensystems von zentraler Bedeutung. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Schwangeren und Stillenden im Durchschnitt mindestens 200 mg DHA pro Tag zuzuführen [6]. Ein guter DHA-Lieferant ist Fisch, insbesondere fettreicher Meeresfisch. Fettreiche pflanzliche Lebensmittel wie Raps- oder Leinöl oder Walnüsse enthalten ebenfalls wichtige Omega-3-Fettsäuren, nicht jedoch DHA, sondern Alpha-Linolensäure (ALA). Aus ihr kann der menschliche Körper zwar DHA bilden, die Umwandlungsrate ist jedoch stark begrenzt [6, 15]. Eine ausreichende DHA-Zufuhr in der Schwangerschaft und Stillzeit ermöglicht eine rein pflanzliche Ernährung ohne Supplemente daher nicht. Schwangere, die nicht regelmäßig fettreichen Meeresfisch essen, sollten deshalb ihre Ernährung mit 200 mg DHA pro Tag ergänzen [3]. Auf dem Markt gibt es neben Präparaten aus Fischöl und Krillöl auch vegane Produkte auf Basis mariner Mikroalgen wie Schizochytrium oder Ulkenia. Eine weitere Möglichkeit zur ausreichenden DHA-Versorgung in der Schwangerschaft und Stillzeit bieten angereicherte Lebensmittel wie DHA-angereicherte Öle oder Margarinen.
Der Artikel basiert auf den bundesweiten Handlungsempfehlungen zur Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft: