Das Baby sucht aktiv die Brust
Gleich nach der Geburt ist es optimal, wenn das Baby ungestört auf dem Bauch der Mutter liegen kann. Das ist die Zeit für den ersten intensiven Hautkontakt und das Kennenlernen. In den ersten beiden Stunden ist das Neugeborene normalerweise wach und aufmerksam. Nach dem ersten Schreien liegt es ruhig und entspannt auf dem Bauch, macht allmählich kleine Bewegungen mit Kopf und Schultern und erste Mund- und Saugbewegungen. Dazwischen ruht es sich immer wieder aus.
Ein kurzes Video des Netzwerks Gesund ins Leben zeigt den Breast Crawl.
Dann beginnt es, mit kleinen Krabbelbewegungen die Brustwarze zu suchen. Dieser sogenannte Breast Crawl ist ein Urinstinkt. „Breast Crawl“ kommt aus dem Englischen und bedeutet etwa „zur Brust kriechen“. Dabei geben viele Babys kleine Laute von sich. Wenn es die Brust erreicht hat, berührt und knetet das Baby sie und führt die Hand zwischen Brustwarze und Mund hin und her. Es streckt die Zunge heraus und sucht damit nach der Brustwarze. In dieser Phase reagiert es mit Blickkontakt auf die Stimmen und Aktivitäten von Mutter und Partner*in.
Wenn es nicht gestört wird, erreicht das Baby schließlich die Brust, dockt selbstständig an und beginnt zu saugen. Jedes Baby ist einzigartig und braucht dafür unterschiedlich lange – manchmal ist es schon nach einer halben Stunde so weit, andere brauchen bis zu etwa anderthalb Stunden. Wenn die Mutter bei der Geburt Medikamente, etwa starke Schmerzmittel oder eine PDA, erhalten hat, dauert es möglicherweise länger. Falls das Baby nicht alleine die Brust sucht, kann die Hebamme oder eine andere Fachkraft unterstützen.
Muss das Kind nach der Geburt nicht als erstes untersucht werden? Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Frauenklinik des Uniklinikums Würzburg und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Netzwerks Gesund ins Leben, erklärt:
„Die erste Untersuchung (U1) eines reifen und gesunden Kindes nach der Geburt kann problemlos auf dem Bauch der Mutter durchgeführt werden. Klinikroutinen wie das Messen und Wiegen des Neugeborenen sollten möglichst auf die Zeit nach dem ersten Anlegen verschoben werden.“
Wertvoller Hautkontakt
Die Zeit unmittelbar nach der Geburt unterstützt die Eltern-Kind-Bindung (Fachbegriff: Bonding). Direkter Hautkontakt mit seinen engen Bezugspersonen gibt dem Kind Geborgenheit und Urvertrauen und wirkt beruhigend auf die Mutter. Durch den Hautkontakt werden in ihrem Körper vermehrt die Stillhormone Prolaktin und Oxytocin ausgeschüttet, die den Stillstart erleichtern. Wenn die Mutter nicht stillen möchte, ist ein guter Start mit Zeit zum Kuscheln und Geborgenheit beim Fläschchengeben genauso bedeutsam für das Kennenlernen. Der Hautkontakt hilft dem Kind, seine Körpertemperatur und Stoffwechsel-Faktoren wie den Blutzuckerspiegel optimal anzupassen.
Ob nach einer vaginalen Geburt oder nach einem Kaiserschnitt, einer Geburt in der Klinik, im Geburtshaus oder zu Hause: Oft lässt sich gut einrichten, dass Mutter und Kind diese wertvolle Zeit direkt nach der Geburt miteinander erleben können.
Manchmal ist der direkte Hautkontakt nach einer Geburt jedoch nicht möglich: Wenn die Geburt unter Vollnarkose stattgefunden hat, nach einer Frühgeburt oder bei einem anderen medizinischen Problem von Mutter oder Kind kann es sein, dass beide zunächst getrennt versorgt werden müssen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Zeit nun verloren ist! Mutter und Kind können den ungestörten Hautkontakt so bald wie möglich nachholen und genießen.
Falls die Mutter noch medizinisch versorgt werden muss, kann eine Bezugsperson wie der Partner oder die Partnerin sich das nackte Kind auf Bauch und Brust legen, ihm Wärme und Geborgenheit vermitteln und sein Urvertrauen stärken. Auch können der Partner, die Partnerin oder andere nahestehende Menschen jederzeit durch direkten Hautkontakt mit dem Kind die Bindung weiter festigen.