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Mann hält Neugeborenes auf dem Arm, daneben steht Teil 1
stock.adobe.com/EvaHM

In einer Artikelserie zum Thema Stillen hat die Fachzeitschrift Lancet die Marketingstrategien der Milchpulverindustrie kritisch in den Blick genommen. Wir stellen die einzelnen Beiträge der Serie vor.

Nur knapp die Hälfte aller Babys werden weltweit mit 6 Monaten noch entsprechend der WHO-Empfehlung ausschließlich gestillt. Gleichzeitig steigt der Pro-Kopf-Verbrauch von Milchpulver als Säuglingsnahrung stetig. Aus diesem Anlass beleuchtete die renommierte medizinische Fachzeitschrift Lancet 2023 in einer Serie zum Stillen die Marketingstrategien der Milchpulverindustrie gegenüber Familien, Politik und Gesundheitswesen. Es ist die zweite Lancet-Serie zum Stillen. Die erste erschien 2016 und befasste sich mit den gesundheitlichen und ökonomischen Effekten des Stillens auf Kinder, Mütter, Wirtschaft und Gesellschaft.

Teil 1: Herausforderungen für das Stillen in einer marktorientierten Welt

Im ersten Artikel der Serie beschreiben Rafael Pérez-Escamilla und Mitautor*innen, wie Milchpulverfirmen normale Verhaltensweisen von Babys als auffällig darstellen, etwa Weinen, Unruhezustände oder kurze Schlafrhythmen. Ziel sei es, Eltern zu verunsichern und ihnen Milchpulver als Lösung anzubieten, obwohl positive Effekte der Produkte wissenschaftlich nicht belegt sind.

Weltweit führen 44,8 % der Mütter in den ersten Lebensmonaten zusätzlich Nahrung aus Milchpulver ein oder hören ganz auf zu stillen, weil sie glauben, zu wenig Milch zu haben [1]. Der Eindruck von zu wenig Milch, auch in Deutschland mit Abstand der meistgenannte Grund zum Abstillen vor 6 Monaten [2], kann durch kompetente Unterstützung fast immer vorgebeugt bzw. wirksam entgegengewirkt werden [3]. Aus internationalen Studien filtern die Autor*innen für effektive Maßnahmen zur Stillförderung und -unterstützung vier Bereiche heraus:

  1. innerhalb des Gesundheitssystems (z. B. durch frühen Hautkontakt nach der Geburt oder babyfreundliche Krankenhäuser),
  2. im kommunalen und privaten Setting (z. B. durch Hausbesuche geschulter Kräfte, Hilfe im sozialen Umfeld),
  3. in der Arbeitswelt (z. B. durch bezahlten Mutterschutz, Unterstützung durch Arbeitgeber*innen und Kolleg*innen),
  4. strukturell durch die Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für das Stillen.

Das internationale Autor*innenteam schließt mit der Empfehlung, in der gesamten Bevölkerung und bei politischen Entscheidungsträgern die Aufmerksamkeit und das Wissen zum Stillen zu erhöhen, Schwangeren und Müttern Zugang zu kompetenter Stillberatung und -unterstützung zu ermöglichen sowie Gesundheitsfachkräften Weiterbildungsangebote zur Verbesserung der Beratungskompetenz frei von kommerziellen Einflüssen anzubieten.

Die Empfehlungen decken sich mit den Zielen und Maßnahmen der Nationalen Strategie zur Stillförderung, die 2021 von der Bundesregierung beschlossen wurde. Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wird die Stillstrategie am Institut für Kinderernährung am Max Rubner-Institut in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Gesund ins Leben umgesetzt. Sie schließt das Strategiefeld ein, über die bestehenden Regelungen zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten in Deutschland stärker zu informieren, zu sensibilisieren und weiteren Regulierungsbedarf zu prüfen. Das Netzwerk Gesund ins Leben trägt mit Kommunikationsaktivitäten wie gezielten Informationen für Fachkreise und Familien, kostenlosen Fortbildungsangeboten etwa zur motivierenden Stillberatung und der Koordination öffentlichkeitswirksamer Events wie der jährlichen Weltstillwoche zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zum Stillen in Deutschland bei.

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Zu den Teilen 1-3 der Lancet-Serie

Marketingstrategien bei Säuglingsnahrung - Teil 2

Wie Milchpulverfirmen versuchen, auf Eltern, Fachkräfte und politische Entscheidungsträger Einfluss zu nehmen

Im zweiten Beitrag beschreiben Nigel Rollins und Mitautor*innen, mit welchen Marketingstrategien Milchpulverfirmen Eltern, Gesundheitsfachkräfte und Politiker*innen zu beeinflussen versuchen.

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Marketingstrategien bei Säuglingsnahrung - Teil 3

Wie wirtschaftliche, politische und soziale Strukturen weltweit das Stillen herausfordern

Im dritten Beitrag beschreiben Phillip Baker und Mitautor*innen wirtschaftliche, politische und soziale Gründe für weltweit niedrige Stillraten mithilfe der Forschungsmethoden der politischen Ökonomie.

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Literatur

[1] Segura-Pérez S, Richter L, Rhodes EC, et al.: Risk factors for self-reported insufficient milk during the first 6 months of life: a systematic review. Matern Child Nutr. 2022; 18e13353, doi: 10.1111/mcn.13353

[2] Brettschneider A-K, von der Lippe E, Lange C: Stillverhalten in Deutschland – Neues aus KiGGS Welle 2. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 2018; 61:920–925

[3] Kersting M, Hockamp N, Burak C, et al.: Studie zur Erhebung von Daten zum Stillen und zur Säuglingsernährung in Deutschland – SuSe II. Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 14. DGE-Ernährungsbericht Vorveröffentlichung Kapitel 3, V 1–V 34, 2020. https://www.dge.de/fileadmin/dok/wissenschaft/ernaehrungsberichte/14eb/14-DGE-EB-Vorveroeffentlichung-Kapitel3.pdf. Zugriff: 23. Juni 2023