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Welche Rolle spielt Fluorid bei der Kariesprävention? Wie können Eltern die Weichen für die Zahn- und Mundgesundheit stellen? Und welche Unterstützung erhalten sie dabei von Ärzt*innen? Antworten gibt es in den Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention.

Baby draußen im Grünen zeigt seine ersten Milchzähne
stock.adobe.com/Anastassiya

Lange schon forderten Fachkräfte einheitliche Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention bei Säuglingen und kleinen Kindern. Nun liegen sie vor und bilden einen neuen Beratungsstandard. Entwickelt wurden sie gemeinsam von Vertreterinnen und Vertretern aller relevanten Fachgesellschaften und -gruppen. Koordiniert hat den Prozess das Netzwerk Gesund ins Leben. Netzwerk-Leiterin Maria Flothkötter freut sich über das gemeinsame Ergebnis: „Das gibt Fachkräften und Eltern Sicherheit.“

Denn wo bisher verschiedene Empfehlungen von Kinderärzt*innen und Zahnärzt*innen nebeneinanderstanden, gelten nun klare, einheitliche Empfehlungen. „Das hilft allen sehr dabei, die Maßnahmen zur Kariesprävention im individuellen Alltag von Familien mit Babys und kleineren Kindern besser zu verankern. Kinder- und Jugendärzt*innen und Zahnärzt*innen sprechen gleiche Empfehlungen aus und die Beratungen ergänzen sich“, so Flothkötter.

Vorteile von kariesfreien Milchzähnen

Die Karieshäufigkeit im Milchgebiss ist seit Mitte der 1990er Jahre bisher nur um etwa 35 Prozent zurückgegangen. Fast die Hälfte der sechs- bis siebenjährigen Kinder ist weiterhin von Karies betroffen [1]. Insbesondere Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien sind deutlich häufiger betroffen [2]. Das kann Folgen für die bleibenden Zähne haben. Denn bleiben die Milchzähne kariesfrei, ist das Kariesrisiko bei den bleibenden Zähnen geringer [3,4,5]. Wenn Präventionsmaßnahmen schon im frühen Kleinkindalter zur Gewohnheit werden und im Alltag verankert sind, gehen sie im späteren Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter leichter von der Hand und bleiben als Routinen etabliert.

Verschiedene Maßnahmen der Prävention ergänzen sich

Zu einer effektiven Kariesprävention gehören eine zahngesunde Ernährung, die konsequente Vermeidung von zuckerhaltigen Getränken in Säuglingsflaschen und von Dauernuckeln, die Anwendung von Fluoriden und ein bis zum Kleinkindalter erreichtes tägliches Zähneputzen, um Beläge soweit wie möglich zu reduzieren.

Fluorid spielt eine Schlüsselrolle

Eine Schlüsselrolle in der Kariesprävention spielt die Fluoridanwendung [6,7]. Sie wird von Geburt an in angemessener Dosis empfohlen. Die Höhe der Dosis und die Art der Anwendung richten sich nach dem Alter des Kindes und der Fluoridzufuhr aus anderen Quellen, wie etwa dem Trinkwasser.

Bei einer Überdosierung von Fluorid kann es zu Dentalfluorosen in den bleibenden Zähnen kommen [8]. Säuglinge und Kleinkinder haben dafür ein erhöhtes Risiko. Als optimale Dosis – höchster kariespräventiver Effekt und geringes Fluoroserisiko – sieht die European Food Safety Authority (EFSA) 0,05 Milligramm (mg) pro Kilogramm (kg) Körpergewicht pro Tag an [8]. Darauf basieren auch die Referenzwerte der deutschen, österreichischen und Schweizer Ernährungsfachgesellschaften [9]. Auch nach einer Übersichtsarbeit zur Fluoridzufuhr bei Kindern liegt die tägliche „optimale Fluoridzufuhrmenge“ für die Vorbeugung von Karies und die Vermeidung von Fluorosen zwischen 0,05 und 0,07 mg/kg Körpergewicht [10]. Die EFSA gibt als tolerierbare Tageshöchstmenge einen Wert von 0,1 mg/kg Körpergewicht pro Tag für Fluorid an [11].

Überdosierung vermeiden – Eltern tragen Zahnpasta auf

Um eine zu hohe Fluoridzufuhr zuverlässig zu vermeiden, ist die korrekte Dosierung der empfohlenen Zahnpastamenge unerlässlich. Säuglinge und Kleinkinder können Zahnpasta noch nicht ausspucken und verschlucken sie daher zum Teil. Deshalb ist es notwendig, dass die Eltern die Zahnpasta in korrekt dosierter Menge auf den Bürstenkopf auftragen, je nach Kindesalter in Reiskorn- oder Erbsengröße. Zahnpasten aus Tuben mit kleinerer Öffnung und solche mit neutraler Farbe und neutralem Geschmack sind zu bevorzugen.

Die einheitlichen Empfehlungen zur Kariesprävention lassen bei korrekter Umsetzung, einem Trinkwasserfluoridgehalt unter 0,3 Milligramm (mg) pro Liter (l) und strikter Einhaltung der empfohlenen Zahnpastamenge keine Überschreitungen der tolerierbaren Tageshöchstmenge erwarten. Es ist wichtig, die Eltern mit praktischer Anleitung zur Zahnpastadosierung im Rahmen der kinder- und zahnärztlichen Beratungen aufzuklären.

Bei Wasser für Säuglings(milch)nahrung Fluoridgehalt prüfen

Bei nicht gestillten Säuglingen hängt die Fluoridzufuhr insbesondere vom Fluoridgehalt des Wassers ab, das zur Zubereitung von Säuglings(milch)nahrung verwendetet wird. Der Fluoridgehalt des Trinkwassers in Deutschland liegt meist unter 0,3 mg/l, in einigen Regionen erheblich darüber. Auskunft über den Fluoridgehalt vor Ort gibt der örtliche Wasserversorger. Mineral- und Tafelwässer können ganz unterschiedliche Fluoridkonzentrationen enthalten. Ist der Fluoridgehalt nicht auf der Verpackung angegeben, gibt der Hersteller Auskunft. Bei einem Fluoridgehalt des verwendeten Wassers von 0,3 mg/l und mehr wird für Säuglinge, die ausschließlich oder überwiegend mit Säuglings(milch)nahrung ernährt werden, kein weiteres Fluorid aus anderen Quellen bzw. eine reduzierte Dosis empfohlen.

Erstes Lebensjahr: ans Zähneputzen behutsam heranführen

Von der Geburt, in der Regel ab der zweiten Lebenswoche, bis zum Zahndurchbruch wird eine systemische Fluoridgabe mittels Tablette in Kombination mit Vitamin D empfohlen. Im Alter zwischen 6 und 10 Monaten brechen bei den meisten Kindern die ersten Milchzähne durch [12]. Das Kind wird dann behutsam an das regelmäßige Zähneputzen ohne oder mit (fluoridhaltiger) Zahnpasta herangeführt.

Ziel ist es, das zweimalige tägliche Zähneputzen als Routine im Tagesablauf zu etablieren.  Säuglinge erkunden Gegenstände mit Mund, Zunge und Lippen. Alles wird dazu in den Mund gesteckt, bekaut und belutscht. Dieses Verhalten, das in der Mitte des ersten Lebensjahres besonders stark ausgeprägt ist, kann Eltern dabei unterstützen, ihr Kind allmählich an Zahnbürste und Zähneputzen heranzuführen und zu gewöhnen. Die Eltern reinigen die Zähne behutsam und keinesfalls gegen den Widerstand des Kindes.

Zusammenarbeit der Ärzt*innen verschiedener Fachrichtungen

Die pädiatrische Beratung zur Kariesprophylaxe ab Zahndurchbruch erfolgt je nach Zeitpunkt des Zahndurchbruchs, meist bei der U5 im 6. bis 7. Lebensmonat. Da 99,4 Prozent aller Kinder die U5 in Anspruch nehmen [13], werden damit nahezu alle Kinder dieser Altersstufe erreicht. Im Rahmen der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen (FU 1a zwischen 6. und 9. Lebensmonat und FU 1b im 10. bis 20. Lebensmonat) können Zahnärzt*innen Informationen zur zahngesunden Ernährung, Zahnpflege und zu Fluoridierungsmaßnahmen vermitteln.

Die Kinder-Richtlinie sieht seit Ende 2019 zur besseren Vernetzung von Pädiatrie und Zahnmedizin in allen Untersuchungen von U5 bis U9 den Verweis zu den zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen vor [14]. Pädiatrische und zahnärztliche Beratungskräfte sollten ein besonderes Augenmerk auf Kinder mit erhöhtem Kariesrisiko richten. Dies zeigt sich vor allem durch frühes Auftreten von Plaque an den Oberkiefer-Frontzähnen, Initialkaries sowie kavitierender Karies. Diese Befunde werden mit höherer Prävalenz bei Kindern aus Familien mit problematischem Ernährungs- und Mundhygieneverhalten und mit niedrigem sozioökonomischem Status gefunden, außerdem bei Kindern mit Behinderungen und chronischen Krankheiten.

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Titelbild Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter
BLE/Netzwerk Gesund ins Leben

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Broschüre Empfehlung zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter

Die Anwendung von Fluorid von Geburt an in entsprechender Menge kann das Kariesrisiko von Kindern erheblich verringern. Verschiedene Empfehlungen zur Fluoridanwendung bei Säuglingen und kleineren Kindern standen bisher nebeneinander und führten bei Beratungskräften und Eltern zu Unsicherheiten. Nun wurde ein neuer Beratungsstandard geschaffen – nach einem Prozess, den das Netzwerk Gesund ins Leben koordiniert hat. Vertreterinnen und Vertreter aller relevanten Fachgesellschaften und -gruppen haben diese Empfehlungen gemeinsam entwickelt.

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Literatur

[1] Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. (DAJ). Epidemiologische Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2016. Bonn; 2017

[2] Schwendicke F, Dorfer CE, Schlattmann P et al. Socioeconomic inequality and caries: a systematic review and meta-analysis. J Dent Res 2015; 94: 10–18

[3] Jordan AR, Becker N, Jöhren H-P, Zimmer S. Frühkindliche Karies und Karieserfahrung im bleibenden Gebiss. Eine Kohortenstudie über 15 Jahre. Swiss Dental Journal SSO 2016; 126:120–25

[4] Isaksson H, Alm A, Koch G, Birkhed D, Wendt L K. Caries prevalence in Swedish 20-year-olds in relation to their previous caries experience. Caries Res 2013; 47(3):234–42, DOI: 10.1159/000346131

[5] Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Frühkindliche Karies vermeiden. Ein Konzept zur zahnmedizinischen Prävention bei Kleinkindern. Berlin; 2014

[6] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Für gesunde Zähne: Fluorid-Vorbeugung bei Säuglingen und Kleinkindern. Stellungnahme Nr. 015/2018 des BfR vom 31. Mai 2018. 2018, DOI: 10.17590/20180531-085715-0

[7] Toumba KJ, Twetman S, Splieth C et al. Guidelines on the use of fluoride for caries prevention in children: an updated EAPD policy document. European Archives of Paediatric Dentistry 2019, DOI: 10.1007/s40368-019-00464-2

[8] EFSA Panel on Dietetic Products Nutrition and Allergies (NDA). Scientific Opinion on Dietary Reference Values for fluoride. EFSA Journal 2013; 11: 3332

[9] Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE), Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE). D-A-CH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Bonn; 2020

[10] Buzalaf MAR, Levy SM. Fluoride intake in children: Considerations for dental caries and dental fluorosis. In: Buzalaf MAR, Hrsg. Fluoride and the oral environment: Karger; 2011:1–19

[11] European Food Safety Authority. Opinion of the Scientific Panel on Dietetic Products, Nutrition and Allergies on a request from the Commission related to the Tolerable Upper Intake Level of Fluoride. The EFSA Journal 2005; 192: 1–65

[12] Radlanski R. Orale Struktur- und Entwicklungsbiologie. Berlin: Quintessenz; 2011

[13] Schmidtke C, Kuntz B, Starker A et al. Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2. Journal of Health Monitoring 2018; 3: 68–77

[14] Gemeinsamer Bundesausschuss. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern (Kinder-Richtlinie) in der Fassung vom 18. Juni 2015 veröffentlicht im Bundesanzeiger AT 18.08.2016 B1 zuletzt geändert am 14. Mai 2020 veröffentlicht im Bundesanzeiger AT 29.05.2020 B6 in Kraft getreten am 25. März 2020. Zugriff: 13.11.2020

[15] da Silva Bastos Vde A, Freitas-Fernandes LB, Fidalgo TK. et al. Mother-to-child transmission of Streptococcus mutans: a systematic review and meta-analysis. J Dent 2015; 43: 181–91

[16] American Academy of Pediatric Dentistry (AAPD). Guideline on Perinatal Oral Health Care. Online: www.aapd.org/media/policies_guidelines/g_perinataloralhealthcare.pdf. Zugriff: 25.07.2018

[17] Chaffee BW, Gansky SA, Weintraub JA. et al. Maternal oral bacterial levels predict early childhood caries development. J Dent Res 2014; 93: 238–44

[18] Kohler B, Andreen I. Mutans streptococci and caries prevalence in children after early maternal caries prevention: a follow-up at 19 years of age. Caries Res 2012; 46: 474–80

[19] Meyer K, Khorshidi-Bohm M, Geurtsen W. et al. An early oral health care program starting during pregnancy–a long-term study–phase V. Clin Oral Investig 2014; 18: 863–72

[20] Public Health Agency of Canada. Preconception Care. In: Public Health Agency of Canada, Family-Centred Maternity and Newborn Care: National Guidelines. Ottawa: Public Health Agency of Canada; 2017

[21] Lopez NJ, Uribe S, Martinez B. Effect of periodontal treatment on preterm birth rate: a systematic review of meta-analyses. Periodontol 2000 2015; 67: 87–130

[22] Iheozor-Ejiofor Z, Middleton P, Esposito M. et al. Treating periodontal disease for preventing adverse birth outcomes in pregnant women. Cochrane Database Syst Rev 2017; (06) CD005297

[23] Raffauf AB, Kunze M, Ratka-Krüger P. Parodontale Behandlung während der Schwangerschaft. Wissenschaftliche Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie (DGParo). Online: www.dgzmk.de/uploads/tx_szdgzmkdocuments/WM_PA-Schwangerschaft.pdf, Zugriff 23.04.2018